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Zukunftstag Michaelis

Von Inselpastorin Anna Henken

Wie wird der Herbst? Werden wir einen Freedom Day begehen? So hat es der Kassenärztechef Andreas Gassen vor ein paar Tagen gefordert, scheinbar in der Überzeugung, die Pandemie sei überwunden. Oder werden wir alsbald im Angesicht steigender Infektionszahlen und belegter Krankenhausbetten die nächsten Schul- und Kita-Schließungen erleben?

Dass ein Freedom Day, der von einem Tag auf den anderen alle Corona-Maßnahmen abschafft, unverantwortlich wäre, darüber waren sich Politiker parteiübergreifend schnell einig. Aber wie der Herbst wird – wer vermag das schon vorherzusagen?

Wir Menschen wollten schon immer gerne wissen, wie die Zukunft wird. In einer bäuerlich geprägten Gesellschaft war vor allem die Zukunft des Wetters von Interesse. Bevor moderne Satelliten die Vorhersage zumindest für einen begrenzten Zeitraum auf ein seriöses Fundament stellen konnten, wurde sich mit Bauernregeln beholfen. An Michaelis, am 29. September, da sollte man das Wetter beobachten. Denn das Wetter dieses Tages würde Auskunft über das Wetter der kommenden Wochen geben. „Bringt Michaelis Regen, kannst du gleich den Pelz anlegen.“ und ähnliche Sprüche waren im Umlauf.

Die Zukunft ist immer unsicher. Je nach Lebenslage machen wir uns das unterschiedlich stark bewusst. Wer eine Festanstellung hat und im eigenen Haus wohnt, wird eine andere Wahrnehmung haben als wem gerade die Wohnung gekündigt wurde oder wer auf Jobsuche ist. Aber letztlich liegt eben nicht alles in unserer Hand. Wir können nicht alles kontrollieren oder beeinflussen. Stets bleiben Unwägbarkeiten.

Diese Erfahrung teilen wir mit Menschen durch die Jahrhunderte hindurch. Auch im Alten Israel hatten die Menschen Zukunftssorgen: Wie würde es weitergehen mit ihrem kleinen Land, das umgeben war von kämpferischen Großmächten? In den sechs Jahrhunderten vor Christi Geburt besetzten die Babylonier, Perser, Griechen und schließlich die Römer das jüdische Gebiet. Im Alten Testament findet sich das Buch Daniel. Dieses ist aus der Sicht des sechsten Jahrhunderts vor Christus geschrieben. Darin finden sich Vorhersagen, wie die Zukunft werden wird. So lesen wir dort von einem Engelfürsten mit Namen Michael. Einem „der ersten unter den Engelfürsten“ (Daniel 10,13). Michael ist als Engel für den Schutz des kleinen jüdischen Volkes da. Die Vorhersage beschreibt, dass er Israel verteidigen wird und sowohl den Engelfürsten des Königreiches Persien, als auch den Griechenlands besiegen wird.

Ja, vielleicht wurde diese Vorhersage in Wahrheit erst geschrieben, als die persische und griechische Besatzung in Israel Geschichte waren. Aber an dem, für was der Engelfürst Michael steht, ändert es nichts: Der Engel Michael ist Teil von Gottes siegreichem und kraftvollem Handeln gegen das Böse.

Es gibt Gutes und Böses und unsere Zukunft kann Sorgenvolles und Schwieriges mit sich bringen. Aber egal was kommt: Gott steht uns an der Seite, damit wir gemeinsam für das Gute eintreten.

Die Engel, die uns in der Bibel begegnen, sagen oft als erstes „Fürchte dich nicht!“. Es gibt so vieles, vor dem wir Angst und Sorgen haben können. Aber es sind eben nicht Angst und Sorge, die unser Leben bestimmen sollen, sondern unser Vertrauen auf Gott. Ein Vertrauen darauf, dass er es gut machen wird. Dass er möchte, dass es gut wird. Es ist ein Vertrauen darauf, dass wir gemeinsam auf dem Weg in eine bessere Zukunft sind. Engel treten in diesem Miteinander als Mittler auf, als Wesen, die zu Gott gehören und uns seine Nachrichten mitteilen oder unsere Gebete zu Gott tragen.

In Rom, nicht weit vom Petersdom, steht die Engelsburg. Über ihr trohnt eine Michael-Statue in Erinnerung an eine Legende, welche sich an diesem Ort zugetragen haben soll: Im Jahr 590 betete Papst Gregor I. zu Gott, weil in Rom die Pest wütete. Während des Gebets sah er eine Erscheinung von Michael, der ihm dass Ende der Pestepidemie verkündete – eine Vorhersage die danach tatsächlich eingetroffen ist.

Schon damals wurde am 29. September, dem Weihetag der Michaelskirche an der Via Salaria in Rom, an den Engel Michael erinnert. Im Jahr 813 schrieb die Mainzer Synode das Michaelisfest für das ganze Frankenreich vor. Und im Heilige Römische Reich Deutscher Nation galt Michael als Schutzpatron. Michael, einer der sein Volk verteidigt, einer, der bereit ist, für das Gute einzustehen.

Bis heute feiern wir am 29. September den Michaelistag als Tag des Erzengels Michael und aller Engel.

Wie dieser Herbst wird? Keiner von uns kann die Zukunft voraussagen. Aber die Michael zugeschriebene Bereitschaft für das Gute einzustehen – das sollten wir mit in unsere Zukunft, in unser Leben nehmen.

Anna Henken hat gemeinsam mit ihrem Mann die Inselpastorenstelle auf der ostfriesischen Insel Baltrum inne.